Es ist Freitagmittag. Die Wohngruppe am Thingers läutet das Wochenende ein. Maite Meetz, stellvertretende Gruppenleitung, kommt gerade aus ihrem Nachtdienst: „Wir sind ein eingefleischter Haufen, wie eine zweite Familie“. Sie kennt die Wohngruppe bereits seit ihrem 12. Lebensjahr. Ihre Mutter arbeitete lange für die Körperbehinderte Allgäu. In ihren Beruf wurde sie quasi hineingeboren.

Es ist normal anders zu sein

Zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stemmen in verschiedenen Schichten die anfallenden Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner: Sie heben, bewegen und pflegen sie. Vor allem aber haben sie ein offenes Ohr. „Wenn die Gruppe von ihrer Arbeit bei den Werkstätten nach Hause kommt, wird einem mindestens fünf Mal erzählt, was den Tag über passiert ist“, verrät Maite schmunzelnd. Es ist nicht üblich, dass körperlich eingeschränkte Menschen auch kommunikativ fit sind. Für die Gruppe ist das ein Segen.

Die Helden des Alltags

Es ist herausfordernd, allen auf gleichem Niveau gerecht zu werden. Die Wohngemeinschaft ist seit 20 Jahren gleich besetzt. Die acht Bewohnerinnen und Bewohner kennen und respektieren sich. „Wir sind so, wie wir sind“, sagt Mitbewohnerin Veronika. Sie leidet seit ihrer Geburt an einer Spastik.

Dabei handelt es sich um eine Verkürzung der Muskulatur, die dadurch zunehmend verkrampft. In der Wohngruppe ist sie die Einzige, die laufen kann. Nur beim Anziehen und Haarewaschen benötigt sie Hilfe. Ab und an putzt man ihr die Zähne nach. „Wir arbeiten ressourcengreifend“, erklärt Maite. Das, was die Bewohnerinnen und Bewohner selbst können, erledigen sie auch eigenständig. Neben Veronika leben aber auch Menschen mit Mehrfachbehinderung sowie mit geistiger Einschränkung oder Hörschaden in der Wohngemeinschaft. Die Ausprägung der benötigten Hilfe ist bei jedem Bewohner anders. „Es ist herausfordernd, allen auf gleichem Niveau gerecht zu werden. Es geht zwar allen gut, aber es geht auch immer besser“, sagt Maite.

Frei ist frei

Maite Meetz spürt die Nachwehen der Nachtschicht: „Wenn ich fertig mit der Arbeit bin, fangen manche erst an“. Die Hauptarbeitszeit beschränkt sich auf den Abend. Tagsüber sind die Bewohnerinnen und Bewohner in den Allgäuer Werkstätten. Dort werden sie entsprechend ihrer Ressourcen gefördert und erhalten Logo­ und Ergotherapie. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wohngruppe sind damit entlastet. Dennoch hört die Arbeit nie auf und ist auch nicht immer einfach.

Bei den Herausforderungen ist es wichtig, sich Zeit zur Regeneration einzuräumen. „Frei ist frei“, plädiert die junge Allgäuerin. „Man kann sein Leben nicht nur um die Arbeit bauen“, fügt sie hinzu. Für alle Arbeitskräfte ist es wichtig, den Dienstplan einzuhalten, der einen Monat vorher erstellt wird. Wenn jemand krank wird, springt ein anderer ein. Man kann die Arbeit nicht einfach auf den nächsten Tag schieben. Es muss immer jemand vor Ort sein.

Auch wenn die Tage oder Nächste in der Wohngemeinschaft sehr anstrengend sein können, gibt es Personal, das bereits seit neun Jahren dort arbeitet. Warum ist da so? Der Grund ist einfach: Es ist die Begeisterung der Bewohner. Es sind die strahlenden Augen, in die man tagtäglich schaut ­ sei es bei einem Monopolytag oder einem Ausflug in den Münchner Zoo. Zu sehen, wie Betroffene mit ihrem Schicksal umgehen, wappnet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eigene Herausforderungen. Es mag eine Arbeit sein, die man mit nach Hause nimmt, aber Maite sagt: „Ich nehme vor allem Positives mit.“

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